Dienstag, 24. Januar 2017

Anleitung zum Glücklichsein (in einer Borderlinerbeziehung)

Mit diesen Suchbegriffen kommen die meisten Besucher auf meinen Blog und weiter auf diesen Beitrag. Für allem für euch verfasse ich heute diesen Blogpost:
Wie ich nach fast vier Jahren Beziehung mit einer Borderlinerin glücklich mit ihr bin.
(Auch wenn ich von BorderlinerIN spreche, ich denke, dass es auf die Menschen der anderen Geschlechter genauso zutrifft. 😊)

Die wichtigsten Nachrichten zuerst:
Du kannst mit deiner Borderlinerin glücklich sein.
Ihr könnt lange zusammen glücklich sein, und eine gesunde Beziehung führen, die euch beiden gleich viel gibt.
Die Diagnose Borderline bei deiner Partnerin bedeutet nicht, dass sie dich betrügen, belügen oder manipulieren wird. Ich sag nicht, dass sie das ganz bestimmt nicht tut, aber viele Borderliner sind ehrlich und treu, auch wenn das Klischee etwas anderes sagt.

HOW TO – Wie geht das jetzt?
Alles was ich habe, ist meine persönliche Erfahrung. Ich kann nur sagen, dass ich glücklich mit meiner Partnerin bin, und dass ich die folgenden Sachen als wichtig dafür empfinde. Ob sie bei euch genauso wichtig sind, oder ob das ausreicht? Das müsst ihr selbst herausfinden.

1. Deine Gefühle sind wichtig.

Gerade als gesunde Partnerin kann es schnell passieren, dass man die eigenen Gefühle hinten anstellt und die der Borderlinerin wichtiger nimmt. Deine Gefühle zählen aber genauso viel, und für dein eigenes Leben sogar mehr. Du bist die wichtigste Person in deinem Leben! Ja, du. Nein, nicht deine Partnerin. Du allein. Und deshalb hast du das Recht – und die Pflicht! - deine Gefühle auch als das Wichtigste zu behandeln. Nur, weil du vielleicht weniger intensiv fühlst, haben diese Gefühle nicht weniger Daseinsberechtigung.
Wenn du dich selbst ständig unterordnest, wirst du nicht glücklich und zufrieden werden. Das führt nur dazu, dass du irgendwann frustriert bist, auch wenn du in diesem Moment gerade denkst, du könntest es gut aushalten und es wäre die beste Entscheidung. Auch für deine Partnerin ist es nicht gesund, wenn du nicht auf dich selbst achtet. Sie kämpft schon genug damit, ihre eigenen Gefühle als wichtig anzunehmen und mit ihnen umzugehen. Dass du dich selbst nicht ernst genug nimmst, ist etwas, was weder du noch sie brauchen könnt.
Die Gefühle von dir und deiner Partnerin sind gleich wichtig, und sie zählen nicht mehr, nur weil ihr bestimmte Diagnosen habt oder nicht habt.
Erlaube dir, zu fühlen was du fühlst. Vergleiche das nicht mit deiner Partnerin. Du zählst für die Person, die du bist. Und gib deinen Gefühlen einen Raum. Tu das, was für dich wichtig ist. Das ist dein Recht.

2. Du bist nicht für die Entscheidungen und die Gesundheit deiner Partnerin verantwortlich.

Deine Partnerin ist ein erwachsener Mensch. Oder zumindest auf dem Weg dorthin. Warum glaubst du, du hast das Recht, ihr ihre Eigenständigkeit wegzunehmen?
Ja, es mag schwer für dich sein, zum Beispiel Selbstverletzungen deiner Partnerin mitzuerleben. Du magst vielleicht sehen, dass manches Verhalten von ihr ungesund ist und ihr auf lange Sicht weh tun wird, und du willst das verhindern, weil sie dir am Herzen liegt. Du willst sie glücklich machen und ihr etwas von ihrem Schmerz nehmen.
Aber das ist nicht deine Aufgabe. Du sollst, und du musst, dich nicht für die Entscheidungen deiner Partnerin schuldig fühlen. Und du bist nicht die Person, die sie heilen wird. Auch niemand anderes wird das tun. Das ist allein ihre Aufgabe.
Wenn du deiner Partnerin sagst, was sie tun soll und was nicht, dann nimmst du ihr gerade das, was ein Teil ihres gesunden Verhaltens ist: Für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Das gehört zu uns allen als erwachsene Menschen dazu, und das ist eine gute Eigenschaft. Du hast nicht das Recht, Entscheidungen für deine Partnerin zu treffen, sie zu „erziehen“, selbst wenn du findest, dass ihre eigenen Entscheidungen nicht gut für sie sind.
Und auch du selbst sollst dir das nicht antun. Du entscheidest nicht, dass sie sich selbstverletzt. Du bist nicht Schuld. Es ist nicht in deiner Verantwortung, sie davon abzuhalten oder sie zu retten. Du musst dich nicht schlecht fühlen, nur weil sie sich schlecht fühlt. Ihre Entscheidungen, ihr Leben, ihre Gefühle – deine Entscheidungen, dein Leben, deine Gefühle. Ihr wollt euer Leben miteinander teilen, aber ihr müsst nicht eure Gefühle füreinander fühlen.

3. Redet miteinander – aber überfallt euch nicht.

Offene Gespräche sind in jeder Beziehung wichtig. Das ist nicht anders, wenn (mindestens) eine Borderlinerin involviert ist.
In manchen Beziehungen mit einer Borderlinerin kann das Angst machen. Sie mag impulsiv reagieren, sofort sehr abwehrend sein und sich gegen dich stellen, oder bei sich selbst die Schuld sehen, wenn du etwas ansprichst was dir wichtig ist. Trotzdem, oder gerade deswegen, ist es sehr wichtig, dass ihr über eure Beziehung miteinander sprecht. Du darfst ihr sagen, was dich stört und was du brauchst, und sie darf das genauso tun.
Hilfreich kann dabei sein, so ein Gespräch vorher anzukündigen. „Es gibt etwas, was mir zurzeit schwer fällt in unserer Beziehung. Ich möchte gern darüber reden. Wann hast du dafür mal Zeit?“ Vielleicht kannst du auch das grobe Thema schon nennen, oder dazu sagen, dass du nicht vor hast Schluss zu machen (es sei denn, du hast das 😉). Zusammen einen Zeitpunkt auszumachen gibt euch beiden die Gelegenheit, euch gedanklich darauf vorzubereiten und euch Zeit füreinander zu nehmen. Da ist die Chance auf ein ruhiges Gespräch viel größer.
Dabei ist es auch wichtig, dass du deine Themen nicht ewig lange versteckt hältst, bis sie riesengroß und plötzlich ganz wichtig sind und aus dir herausplatzen, und deine Partnerin total überfordern. Wenn du immer so tust als ob nichts wäre, und dann auf einmal sagst dass es etwas gibt was total schlimm für dich ist, na, klar ist da deine Partnerin erschrocken! Auch wenn du Angst vor der Auseinandersetzung hast, die durch das Gespräch entstehen könnte und möglicherweise sehr hitzig wird – es ist besser, wenn du frühzeitig sagst, was los ist.
Außerdem: Ihr habt beide das Recht darauf, eine gesunde Gesprächskultur zu haben. Auseinandersetzungen machen Angst, aber für Borderliner ist es bestimmt auch schön zu sehen, dass man unterschiedliche Meinungen haben kann, und trotzdem zueinander steht.

4. Respektiere deine Partnerin, und erwarte Respekt von ihr.

Die Gefühle deiner Partnerin sind echt. Auch wenn du sie nicht verstehen kannst, auch wenn sie dir intensiv erscheinen. Ihre Handlungen haben Gründe, die aus ihrer Sicht total gerechtfertigt sind. Sie ist nicht verrückt und macht total komische Sachen – sie hat ihre eigenen Begründungen für ihr Tun, und wenn sie dir das erklären kann, wirst du es wahrscheinlich auch verstehen. Begegne ihr also mit Respekt.
Genauso hast auch du Respekt verdient. Du darfst Grenzen setzen (genauso, wie sie das darf) und auf diesen beharren. Wenn es etwas gibt, was für dich gar nicht geht, dann musst du dir das nicht gefallen lassen, nur weil deine Partnerin eine bestimmte Diagnose hat. Bonuspunkte gibt‘s, wenn ihr eure Grenzen klar kommuniziert. :)
Respekt bedeutet auch, dass ihr eure gegenseitigen Anstrengungen anerkennt. Das hier sind alles Tipps für dich als Partnerin und Erwartungen daran, wo du an dir arbeiten sollst um die Beziehung gelingen zu lassen. Behalte im Kopf, dass deine Partnerin mindestens genauso viel investiert, um die Beziehung für euch beide gut zu gestalten. Sich darüber zu unterhalten, welche Anstrengungen ihr beide unternehmt und die dann gegenseitig anzuerkennen kann euch beiden gut tun.

5. Gönnt euch gegenseitig Freiräume.

Bei Borderlinern kochen Gefühle häufig hoch. Manchmal kann es hilfreich sein, wenn deine Partnerin sich dann zurückzieht und ihre eigenen Skills anwendet, um mit den Gedanken und ihrem Gefühlschaos klarzukommen. Gib ihr diesen Freiraum. Danach ist die Stimmung bestimmt ruhiger, und ihr könnt klarer miteinander sprechen.
Auch du hast Freiräume verdient. Wenn sich deine Partnerin zurückzieht, respektiere das – und nutze die Gelegenheit, um etwas für deine eigenen Gefühle zu tun. Und auch, wenn sie sich nicht von sich aus zurückzieht, aber du etwas Platz brauchst: Nimm dir das. Erklär ihr was los ist, und dass du zurückkommst, aber Pause brauchst, und mach Pause. Tu das, was du selbst gerade brauchst.
Ihr beide habt es verdient, euch einfach mal um euch selbst zu kümmern.


Oft wird davon gesprochen, dass Borderliner ganz normale Gefühle haben, nur eben viel viel intensiver. Ich finde, das gleiche trifft auf diese Tipps zu. All das was ich genannt habe, ist in jeder Beziehung hilfreich, um sie gesund zu halten. In einer Borderlinerbeziehung sind sie meiner Erfahrung nach nur eben noch etwas wichtiger.

Die ersten zwei Jahre in unserer Beziehung waren nicht leicht. Ich habe all das erst lernen müssen. Meine Partnerin hat ihre eigenen Lektionen lernen müssen. Wir haben viele Höhen, aber auch viele Tiefen gehabt, und haben uns ein paar Mal fast getrennt. Wir sind nicht immer gesund miteinander umgegangen und haben vieles falsch gemacht.
Aber wir haben es gelernt. Und wenn ich jetzt mit anderen Paaren rede, die länger als wir zusammen sind – selbst mit meinen Eltern! -, dann sind diese Dinge genau das, was auch sie lernen müssen, um sich gegenseitig gut zu tun und miteinander glücklich zu sein.
Wir haben es vielleicht viel früher und schneller und auf eine härtere Art gelernt als andere. Es gibt auch mit Sicherheit noch vieles, was wir noch lernen müssen und woran wir arbeiten werden. Aber ich fühle mich unabhängig, stark, glücklich und gehalten in meiner Beziehung. Karo sieht mich und unterstützt mich, und der gegenseitige Respekt füreinander ist riesig. Wir lernen immer noch, offen miteinander zu reden, aber wir können es auch schon wirklich gut. Dass Karo Borderline hat ist ein kleiner Nebenaspekt in unserer Beziehung geworden, an den ich kaum noch denke. Wir gehen einfach nebeneinander durchs Leben, helfen uns gegenseitig unsere eigenen Lebenslektionen zu lernen und stehen füreinander ein.
Früher dachte ich in manchen schwierigen Zeiten, dass unsere Liebe den Schmerz schon wert ist. Heute weiß ich, dass ich mir diesen Schmerz nicht zufügen muss und die Liebe trotzdem haben kann.

Deine Partnerin, dein Partner, hat viele Herausforderungen im Leben. Wenn sie oder er Therapie macht, kann das auch euch beiden helfen (und für mich und Karo war es bestimmt auch sehr zentral, dass sie so sehr an sich selbst gearbeitet hat).
Komplett unabhängig davon ist es aber für eine gesunde Beziehung wichtig, dass auch du die Beziehung gesund hältst. Nimm dich selbst wichtig. Du bist es. Und mach dich selbst glücklich. Du hast es verdient.



Hier gibt's den Post auch noch in English :)

6 Kommentare:

  1. Hallo. :)

    Ich habe das auf Twitter schon mal erwähnt: Danke für diesen Beitrag!

    Dass dir so ein "Leitfaden" damals geholfen hätte, glaube ich. Umso schöner ist es, dass du selbst ihn nun schreiben konntest und ihr trotz aller Strapazen gemeinsam euren Weg geht. :)

    Ich glaube, das, was du sagst, ist nicht nur im Hinblick auf Borderline-Partner relevant, sondern generell, wenn es um Beziehungen mit psychisch angeschlagenen Menschen (und im Grunde auch generell, denn so seine Probleme und schwierigen Seiten hat jeder) geht. Insofern würde ich ihn also ohne Einwände weiterempfehlen an Leute, die sich um solche Sachen ernsthafte Gedanken machen. :)

    Liebe Grüße! :)
    Jade

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    1. Hi! :)

      Ich freu mich echt sehr, dass du ihn gut findest. :)

      Ich glaube auch, dass das für viele Situationen hilfreiche Tipps sind. Es hat einfach viel damit zu tun, dass man sich selbst und die andere Person respektvoll behandelt und aufeinander zugeht und eingeht und sich bemüht, und das ist in allen Beziehungen wichtig!

      Danke für deinen Kommentaaar <3

      Liebe Grüße!

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  2. Hallo,
    ich Danke dir auf jeden Fall für deinen Leitfaden. Das vielgelobte Internet ist bei Beziehungstipps/-hilfen für Borderline-Betroffene und -Angehörige ziemlich einseitig und insbesondere negativ aufgestellt.
    Ich selbst bin seit nunmehr fast 6 Jahren glücklich in einer Borderline-Beziehung. Es gibt und gab Höhen und Tiefen, und mit Sicherheit liegt besonders in den Tiefen ein erhöhtes Krisenpotential vor, aber wie du selber gesagt hast: Das ist in fast allen zwischenmenschlichen Beziehungen so und eben auch da gibt es nie ein Patentrezept oder "den"/"die" Schuldige.
    Ich möchte dir einfach nochmal Danken und werde deine Seite auf jeden Fall weiter verbreiten.

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    1. Hallo Christian,
      danke für deinen Kommentar! Genau aus diesem Grund wollte ich den Blog auch starten. Um mal meine eigenen Erfahrungen zu zeigen und ein bisschen einen Ausgleich zu schaffen. Auch wenn nicht immer alles einfach ist, ist halt definitiv auch nicht alles schlecht!
      Ich freu mich echt dass ich dich damit erreichen konnte. :)

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  3. Liebe Laura,
    ich bin ganz begeistert davon, wie du hier schreibst. So ehrlich, so weise, so offen. Vielen, vielen Dank!!!
    Bei mir wachsen gerade Zweifel an meiner Beziehung mit einem Evt.-Borderliner, aber auch die Liebe wächst und ich bin dabei, meine eigenen Werte für mein Leben zu schreiben, um unsere Beziehung anders sehen zu können. Es ist ein weiter, aber ich glaube ein wichtiger Weg. Vielleicht ist es morgen vorbei- gerade plötzlicher heftiger Streit- und für meine Seite spielt das Thema Angst eine große Rolle.
    Dein Blog hat mir aber gerade sehr viel Mut gegeben, zu lieben. Wieder zu sehen, dass ich das als unabhängiger Mensch aus mir heraus bedingungslos tun werde und auch dass der Mensch der das in mir auslöst, für mich zuallererst dieser Mensch ist, den ich liebe. Ganz genau so.
    Es ist so so wichtig, positiv darüber zu schreiben, mit dem Kategoriendenken zu brechen, ich bin einfach nur beeindruckt, mal etwas so Authentisches zu lesen, so dem Herzen folgend. Viel mehr davon, von deiner kraftvoll-positiven Sicht und Sprache braucht die Welt, liebe Laura!

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    1. Danke, deine Worte bedeuten mir viel! Den Blog hab ich ja überhaupt nur gestartet, um eine etwas balanciertere Sichtweise in die Welt zu bringen, und von jemandem zu hören, dem das tatsächlich geholfen hat, berührt mich wirklich.

      Ich hoffe, dass du einen guten Weg findest, welcher auch immer gesund für dich ist. Es kann schwer sein, die richtigen Entscheidungen zu treffen, und es gibt echt selten eine klare Antwort dazu, was das beste ist. Den Mut zu haben, zu lieben, und den Partner in seinen ganzen Eigenheiten zu verstehen, ist aber total wichtig. Und das gleiche darfst du dir natürlich auch von deinem Partner erwarten - also dass er zum Beispiel deine Ängste versteht, die für dich so eine große Rolle spielen.
      Ich habe einfach gemerkt, dass das wichtigste ist, dass ich auf meine eigenen Bedürfnisse achte und sehr ehrlich mir selbst gegenüber bin, und dann schlussendlich auch meiner Partnerin gegenüber. In sich hinein hören, und verstehen und akzeptieren was ist, und dann danach handeln - damit kommt meistens was sehr gesundes dabei raus.

      Danke noch mal, dass du mir geschrieben hast. Das hat mir heute Morgen echt ein Lächeln aufs Gesicht gezaubert :)

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