Dienstag, 15. Mai 2018

Sex mit Depressionen und nach sexueller Gewalt


Na da bin ich mal gespannt, ob dieser Beitrag mal ungewöhnlich hohe Klickzahlen bekommen wird – vermuten kann man es bei dem Thema ja ;)

Es geht heute um Sex. Aber nicht im Detail, also darfst du trotzdem mitlesen, Mama.

Anstatt Tipps zu lesbischem Sex zu geben oder wie auch immer Leute sonst hier drauf stoßen könnten, will ich darüber schreiben, wie Karos psychische Krankheiten auf unser Sexleben Einfluss genommen haben und wie das für mich war.

Da gibt‘s vor allem zwei Faktoren, die eine Rolle spielen und gespielt haben. Der erste davon sind Depressionen.

Karo hat seit Jahren chronische Depressionen, mit manchmal stärkeren und manchmal schwächeren Phasen. Ein Symptom von Depressionen kann auch sein, dass man weniger Lust auf Sex hat.
Zusätzlich haben aber auch viele Antidepressiva die Nebenwirkung, dass sie die Libido ebenfalls noch mal senken – also noch mal weniger Antrieb für Sex da ist.

Der andere Faktor ist, dass Karo als Jugendliche vergewaltigt wurde. Sie hat vor kurzem das erste Mal öffentlich darüber geschrieben. Für viele Opfer von Vergewaltigungen sind deshalb natürlich bestimmte Dinge, die man beim Sex machen kann, große Trigger und können Flashbacks hervorrufen (also ein Gefühl, wieder direkt in der Situation zu stecken, so als ob sie jetzt gerade passiert). Davon abgesehen kann es auch einfach unangenehm sein oder man kann sich schämen, es kann weh tun oder man kann einfach nicht wollen.

Ich fange erst mal mit dem Einfluss von der Vergewaltigung an.

Von der Vergewaltigung wusste ich mehr oder weniger von Anfang an, weil Karo mir schon bevor wir uns das erste Mal als Paar getroffen haben sagen wollte, dass sie vielleicht nicht sehr schnell mit mir schlafen wollen würde. Überhaupt Bescheid zu wissen was damals passiert ist und wie es Karo ging, das war erst mal ein großer Schock für mich. Ich habe mich nie vor Karo geekelt oder sie als schuldig gesehen (ein Gedanke, mit dem viele Vergewaltigungsopfer kämpfen!), aber der Gedanke an die Schmerzen und die grausamen Dinge von denen sie mir eh nur ansatzweise erzählt hat, haben trotzdem dafür gesorgt, dass mir ganz schlecht wurde wenn ich daran gedacht hab. (Und: Es hat mir auch gezeigt, dass ich wohl doch kein durch und durch friedfertiger Mensch bin. Und dass Gewaltfantasien gegenüber Menschen, die denen weh tun die ich liebe, durchaus… vorkommen. Aaaah. Arschlöcher.)
Aber jedenfalls war für mich natürlich klar, dass ich Karo alle Zeit der Welt geben würde. Wir hatten darüber gesprochen ob sie überhaupt Sex haben will und sie hat gesagt ja, irgendwann – sie weiß nur nicht, wie lange es dauert. Aber das war okay für mich. Ich war auch selbst noch völlig unerfahren und hatte kein Problem damit zu warten.

Nach etwa einem dreiviertel Jahr Beziehung haben wir dann doch miteinander geschlafen, nachdem wir uns langsam daran angenähert hatten. Karo war diejenige die das initiiert hat – um genau zu sein, hat sie mich davor gefragt ob „das da nicht zu viel ist“ und damit unsere restliche Kleidung am Körper gemeint, aber ich bin erst mal fast in Tränen ausgebrochen, weil ich gedacht habe, dass ich ihr weh getan habe ;)

Einige Jahre lang haben wir dann einige Dinge aus unserem Sexleben ausgeklammert, die zu große Trigger für Karo gewesen wären. Das war immer okay für mich – ich war zwar neugierig dabei manches davon mal auszuprobieren, aber man kann sich ja auch allein behelfen ;)
Die Vergewaltigung spielt immer noch eine Rolle für uns. Manchmal hat Karo Flashbacks nachdem oder während wir miteinander schlafen. Dann brechen wir einfach ab und tun, was für sie in dem Moment am besten ist. An manche spezifischen Sexdinge nähern wir uns langsam an und probieren sie erst nach Jahren zum ersten mal aus. Aber um ehrlich zu sein: Immer mal wieder auf einmal was neues zu erleben ist auch ganz schön spannend! :)

Für mich ist es auch ganz schön berührend, dass Karo mich so an sich ranlässt und ich all diese Dinge mit ihr erleben darf, selbst wenn sie teilweise so schlimme Erinnerungen mit sich ziehen. „Danke, dass du mir zeigst, dass Sex auch schön sein kann“, hat sie vor kurzem zu mir gesagt, und das wiederum macht mich echt wahnsinnig glücklich.

Und wichtig finde ich auch: Mir fehlt nichts! Falls das hier jemand liest, der vielleicht selbst vergewaltigt wurde oder Probleme mit bestimmen Sexdingen hat: Ich bin nicht traurig oder unbefriedigt oder frustriert. Man kann über alles reden. Jedes Paar muss so oder so sein eigenes Sexleben genau besprechen und herausfinden, was einem zusammen gefällt. Das ist nicht anders, wenn einer von beiden (oder beide) sexuelle Gewalt erlebt haben. Man findet immer Wege, damit beide glücklich sind. (Und für mich persönlich hat sich nichts davon wie Verlust oder Anstrengung oder auch nur schwere Arbeit angefühlt.)

Der zweite wichtige Punkt ist, wie oben gesagt, der Einfluss von Depression und Antidepressiva.

Das war am Anfang noch kein Problem, aber nach einigen Monaten oder so sind Karos Depressionen immer schlimmer geworden und sie hatte immer weniger Lust auf Sex. Vermutlich haben zu dieser Zeit auch ihre Antidepressiva dabei eine Rolle gespielt. So oder so: Sie wollte keinen Sex und ich wollte schon, und das war einige Zeit lang ganz schön schwer.

Ein Problem war halt auch, dass wir ja eine Fernbeziehung hatten (und noch haben) und es deshalb nur normalerweise ein Wochenende pro Monat gab, wo wir die Gelegenheit gehabt hätten – und weil Karo selten Lust hatte, fiel das halt oft nicht gerade mit diesem einen Wochenende zusammen.

Ich dagegen hatte das alles gerade erst für mich entdeckt nachdem wir das erste mal Sex gehabt hatten und fand es sehr schwer auszuhalten, dass wir jetzt davon überhaupt nichts mehr tun konnten. Ich war oft traurig und verletzt, weil mir diese Form von Intimität so viel bedeutet hat und es weh tat, sie nicht haben zu können. Ich wollte andererseits natürlich aber auch Karo nie in irgendetwas drängen. Bewusst habe ich das auch nie getan, aber sie hat mir sehr viel später erzählt, dass sie manchmal einfach mitgemacht hat, weil sie mir nicht weh tun wollte. Das zu hören hat mir ein bisschen das Herz gebrochen und ich schäme mich sehr dafür.

Wir haben in der Zeit auch viele Gespräche dazu geführt. Oft habe ich dabei geweint und es Karo damit bestimmt nicht leicht gemacht. Im Nachhinein tut es mir wahnsinnig Leid, wie viel Druck ich damit indirekt auf Karo ausgeübt habe und wie belastend es gewesen sein muss, dass ich meine sexuelle Zufriedenheit so sehr davon abhängig gemacht habe, ob sie gerade mit mir schlafen wollte oder nicht.

Mit der Zeit habe ich aber gelernt, mein Glück (in diesem Punkt, aber auch ganz allgemein) nicht von Karo abhängig zu machen. Wenn ich etwas will, dann hole ich es mir eben. Wenn ich sexuelle Sachen ausprobieren will, hab ich ja immer noch meine Hand und diverse Spielzeuge. Ich wollte meine Bedürfnisse nicht mehr nur von anderen Menschen …… befriedigen (oh Mann) lassen, sondern mich einfach selbst darum kümmern, dass ich auf meine Kosten komme.

Irgendwann war ich damit sogar an einem Punkt (und bin es noch) wo ich weiß, dass ich auch eine Beziehung führen könnte, in der mein Partner keinen Sex wollen würde. Ich selbst mag Sex gern und finde es wahnsinnig schön, zusammen Dinge zu erleben und auszuprobieren und sich auf so eine intime Art zu lieben. Aber wenn das jemand nicht wollen würde, würde ich trotzdem mit der Person zusammen bleiben können und einfach mit mir selbst meinen Spaß haben.

Irgendwann ganz am Ende oder nach diesem langen persönlichen Prozess hat sich da aber auch bei Karo und mir wieder einiges geändert. Karo hatte (und hat) zwar weiterhin Depressionen, aber sie hat irgendwann wieder mehr Lust auf Sex gehabt. In der Zwischenzeit hatte sie auch ihr Antidepressivum gewechselt und wir vermuten beide, dass das einen großen Einfluss gehabt hat. Die Medikamente, die sie danach genommen hat, haben sich bis jetzt nie negativ auf ihre Libido ausgewirkt.

Für mich persönlich war es zwar eine schmerzhafte und komplizierte, aber im Nachhinein unglaublich wertvolle Erfahrung damit klarzukommen, dass meine Partnerin keinen Sex mit mir will. Ich habe das Gefühl, dass ich mich damit von den Erwartungen der Gesellschaft loslösen konnte, die das Sexleben immer so eindeutig mit einem aktuellen Partner verbinden. Für mich ist das einfach nicht mehr notwendig. Es ist wie gesagt eine Ebene in einer Beziehung die ich unglaublich gerne mag, aber nichts, auf das ich in der Beziehung direkt angewiesen bin und das tut mir wirklich, wirklich gut.

Ich kann jedem nur dazu raten, sich auch einfach mal selbst auszuprobieren und es nicht abhängig vom Partner zu machen, wie sehr man sexuell zufrieden ist. Oh, und natürlich: Gespräche. Ganz viele Gespräche. Offene und allgemein gehaltene und konkrete. Mit dem Partner darüber reden ist einfach immer das beste!
(Und vielleicht auch mal mit dem Arzt sprechen, wenn man selbst Antidepressiva nimmt und vermutet, dass die eine Rolle spielen könnten. Wenn man gerne Sex hätte und die Medikamente das eventuell verhindern, ist das ein absolut legitimer Grund, über einen Medikamentenwechsel nachzudenken. Sex ist nicht unwichtig!)

So. Jetzt hab ich oft genug das Wort Sex geschrieben. Jetzt ist aber mal Schluss. :)

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