Na da bin ich mal
gespannt, ob dieser Beitrag mal ungewöhnlich hohe Klickzahlen
bekommen wird – vermuten kann man es bei dem Thema ja ;)
Es geht heute um
Sex. Aber nicht im Detail, also darfst du trotzdem mitlesen, Mama.
Anstatt Tipps zu
lesbischem Sex zu geben oder wie auch immer Leute sonst hier drauf
stoßen könnten, will ich darüber schreiben, wie Karos psychische
Krankheiten auf unser Sexleben Einfluss genommen haben und wie das
für mich war.
Da gibt‘s vor
allem zwei Faktoren, die eine Rolle spielen und gespielt haben. Der
erste davon sind Depressionen.
Karo hat seit Jahren chronische Depressionen, mit manchmal
stärkeren und manchmal schwächeren Phasen. Ein Symptom von
Depressionen kann auch sein, dass man weniger Lust auf Sex hat.
Zusätzlich haben
aber auch viele Antidepressiva die Nebenwirkung, dass sie die
Libido ebenfalls noch mal senken – also noch mal weniger Antrieb
für Sex da ist.
Der andere Faktor
ist, dass Karo als Jugendliche vergewaltigt wurde. Sie hat vor kurzem
das erste Mal öffentlich darüber geschrieben. Für viele Opfer von Vergewaltigungen sind
deshalb natürlich bestimmte Dinge, die man beim Sex machen kann,
große Trigger und können Flashbacks hervorrufen (also ein Gefühl,
wieder direkt in der Situation zu stecken, so als ob sie jetzt gerade
passiert). Davon abgesehen kann es auch einfach unangenehm sein oder
man kann sich schämen, es kann weh tun oder man kann einfach nicht
wollen.
Ich fange erst mal mit
dem Einfluss von der Vergewaltigung an.
Von der
Vergewaltigung wusste ich mehr oder weniger von Anfang an, weil Karo
mir schon bevor wir uns das erste Mal als Paar getroffen haben sagen
wollte, dass sie vielleicht nicht sehr schnell mit mir schlafen
wollen würde. Überhaupt Bescheid zu wissen was damals passiert ist
und wie es Karo ging, das war erst mal ein großer Schock für mich.
Ich habe mich nie vor Karo geekelt oder sie als schuldig gesehen (ein
Gedanke, mit dem viele Vergewaltigungsopfer kämpfen!), aber der
Gedanke an die Schmerzen und die grausamen Dinge von denen sie mir eh
nur ansatzweise erzählt hat, haben trotzdem dafür gesorgt, dass mir
ganz schlecht wurde wenn ich daran gedacht hab. (Und: Es hat mir
auch gezeigt, dass ich wohl doch kein durch und durch friedfertiger
Mensch bin. Und dass Gewaltfantasien gegenüber Menschen, die denen
weh tun die ich liebe, durchaus… vorkommen. Aaaah. Arschlöcher.)
Aber jedenfalls war
für mich natürlich klar, dass ich Karo alle Zeit der Welt geben
würde. Wir hatten darüber gesprochen ob sie überhaupt Sex haben
will und sie hat gesagt ja, irgendwann – sie weiß nur nicht, wie
lange es dauert. Aber das war okay für mich. Ich war auch selbst
noch völlig unerfahren und hatte kein Problem damit zu warten.
Nach etwa einem
dreiviertel Jahr Beziehung haben wir dann doch miteinander
geschlafen, nachdem wir uns langsam daran angenähert hatten. Karo
war diejenige die das initiiert hat – um genau zu sein, hat sie
mich davor gefragt ob „das da nicht zu viel ist“ und damit unsere
restliche Kleidung am Körper gemeint, aber ich bin erst mal fast in
Tränen ausgebrochen, weil ich gedacht habe, dass ich ihr weh getan
habe ;)
Einige Jahre lang
haben wir dann einige Dinge aus unserem Sexleben ausgeklammert, die zu
große Trigger für Karo gewesen wären. Das war immer okay für mich
– ich war zwar neugierig dabei manches davon mal auszuprobieren,
aber man kann sich ja auch allein behelfen ;)
Die Vergewaltigung
spielt immer noch eine Rolle für uns. Manchmal hat Karo Flashbacks
nachdem oder während wir miteinander schlafen. Dann brechen wir
einfach ab und tun, was für sie in dem Moment am besten ist. An
manche spezifischen Sexdinge nähern wir uns langsam an und probieren
sie erst nach Jahren zum ersten mal aus. Aber um ehrlich zu sein:
Immer mal wieder auf einmal was neues zu erleben ist auch ganz schön
spannend! :)
Für mich ist es
auch ganz schön berührend, dass Karo mich so an sich ranlässt und
ich all diese Dinge mit ihr erleben darf, selbst wenn sie teilweise
so schlimme Erinnerungen mit sich ziehen. „Danke, dass du mir
zeigst, dass Sex auch schön sein kann“, hat sie vor kurzem zu mir
gesagt, und das wiederum macht mich echt wahnsinnig glücklich.
Und wichtig finde
ich auch: Mir fehlt nichts! Falls das hier jemand liest, der
vielleicht selbst vergewaltigt wurde oder Probleme mit bestimmen
Sexdingen hat: Ich bin nicht traurig oder unbefriedigt oder
frustriert. Man kann über alles reden. Jedes Paar muss so oder so
sein eigenes Sexleben genau besprechen und herausfinden, was einem
zusammen gefällt. Das ist nicht anders, wenn einer von beiden (oder
beide) sexuelle Gewalt erlebt haben. Man findet immer Wege, damit
beide glücklich sind. (Und für mich persönlich hat sich nichts
davon wie Verlust oder Anstrengung oder auch nur schwere Arbeit
angefühlt.)
Der zweite wichtige
Punkt ist, wie oben gesagt, der Einfluss von Depression und
Antidepressiva.
Das war am Anfang noch kein Problem, aber nach einigen Monaten oder so sind Karos
Depressionen immer schlimmer geworden und sie hatte immer weniger
Lust auf Sex. Vermutlich haben zu dieser Zeit auch ihre
Antidepressiva dabei eine Rolle gespielt. So oder so: Sie wollte
keinen Sex und ich wollte schon, und das war einige Zeit lang ganz schön schwer.
Ein Problem war halt
auch, dass wir ja eine Fernbeziehung hatten (und noch haben) und es
deshalb nur normalerweise ein Wochenende pro Monat gab, wo wir die
Gelegenheit gehabt hätten – und weil Karo selten Lust hatte, fiel
das halt oft nicht gerade mit diesem einen Wochenende zusammen.
Ich dagegen hatte
das alles gerade erst für mich entdeckt nachdem wir das erste mal
Sex gehabt hatten und fand es sehr schwer auszuhalten, dass wir jetzt
davon überhaupt nichts mehr tun konnten. Ich war oft traurig und
verletzt, weil mir diese Form von Intimität so viel bedeutet hat und
es weh tat, sie nicht haben zu können. Ich wollte andererseits
natürlich aber auch Karo nie in irgendetwas drängen. Bewusst habe
ich das auch nie getan, aber sie hat mir sehr viel später erzählt,
dass sie manchmal einfach mitgemacht hat, weil sie mir nicht weh tun
wollte. Das zu hören hat mir ein bisschen das Herz gebrochen und ich
schäme mich sehr dafür.
Wir haben in der
Zeit auch viele Gespräche dazu geführt. Oft habe ich dabei geweint
und es Karo damit bestimmt nicht leicht gemacht. Im Nachhinein tut es
mir wahnsinnig Leid, wie viel Druck ich damit indirekt auf Karo
ausgeübt habe und wie belastend es gewesen sein muss, dass ich meine
sexuelle Zufriedenheit so sehr davon abhängig gemacht habe, ob sie
gerade mit mir schlafen wollte oder nicht.
Mit der Zeit habe
ich aber gelernt, mein Glück (in diesem Punkt, aber auch ganz
allgemein) nicht von Karo abhängig zu machen. Wenn ich etwas will,
dann hole ich es mir eben. Wenn ich sexuelle Sachen ausprobieren
will, hab ich ja immer noch meine Hand und diverse Spielzeuge. Ich
wollte meine Bedürfnisse nicht mehr nur von anderen Menschen ……
befriedigen (oh Mann) lassen, sondern mich einfach selbst darum
kümmern, dass ich auf meine Kosten komme.
Irgendwann war ich
damit sogar an einem Punkt (und bin es noch) wo ich weiß, dass ich
auch eine Beziehung führen könnte, in der mein Partner keinen Sex
wollen würde. Ich selbst mag Sex gern und finde es wahnsinnig schön,
zusammen Dinge zu erleben und auszuprobieren und sich auf so eine
intime Art zu lieben. Aber wenn das jemand nicht wollen würde, würde
ich trotzdem mit der Person zusammen bleiben können und einfach mit
mir selbst meinen Spaß haben.
Irgendwann ganz am
Ende oder nach diesem langen persönlichen Prozess hat sich da aber auch bei Karo
und mir wieder einiges geändert. Karo hatte (und hat) zwar weiterhin
Depressionen, aber sie hat irgendwann wieder mehr Lust auf Sex
gehabt. In der Zwischenzeit hatte sie auch ihr Antidepressivum
gewechselt und wir vermuten beide, dass das einen großen Einfluss
gehabt hat. Die Medikamente, die sie danach genommen hat, haben sich
bis jetzt nie negativ auf ihre Libido ausgewirkt.
Für mich persönlich
war es zwar eine schmerzhafte und komplizierte, aber im Nachhinein
unglaublich wertvolle Erfahrung damit klarzukommen, dass meine
Partnerin keinen Sex mit mir will. Ich habe das Gefühl, dass ich
mich damit von den Erwartungen der Gesellschaft loslösen konnte, die
das Sexleben immer so eindeutig mit einem aktuellen Partner
verbinden. Für mich ist das einfach nicht mehr notwendig. Es ist wie
gesagt eine Ebene in einer Beziehung die ich unglaublich gerne mag,
aber nichts, auf das ich in der Beziehung direkt angewiesen bin und
das tut mir wirklich, wirklich gut.
Ich kann jedem nur
dazu raten, sich auch einfach mal selbst auszuprobieren und es nicht
abhängig vom Partner zu machen, wie sehr man sexuell zufrieden ist.
Oh, und natürlich: Gespräche. Ganz viele Gespräche. Offene und
allgemein gehaltene und konkrete. Mit dem Partner darüber reden ist einfach
immer das beste!
(Und vielleicht auch
mal mit dem Arzt sprechen, wenn man selbst Antidepressiva nimmt und
vermutet, dass die eine Rolle spielen könnten. Wenn man gerne Sex
hätte und die Medikamente das eventuell verhindern, ist das ein
absolut legitimer Grund, über einen Medikamentenwechsel
nachzudenken. Sex ist nicht unwichtig!)
So. Jetzt hab ich
oft genug das Wort Sex geschrieben. Jetzt ist aber mal Schluss. :)
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