Donnerstag, 17. Mai 2018

Was mir in der Beziehung gut tut


Wir Menschen – wir strukturieren uns ja die Welt, indem wir Vereinfachungen benutzen und uns bestimmte Vorstellungen davon bilden, was wir hören.
Wenn ich sage, dass ich in einer Beziehung bin, stellen sich viele Menschen wahrscheinlich eine ebenbürtige, liebevolle, unterstützende Beziehung vor, mit Dingen, die für diese Person zu einer Beziehung dazu gehören.
Wenn ich sage, dass ich in einer Beziehung mit jemandem mit psychischen Erkrankungen bin – noch dazu, mit jemandem mit Borderline! -, dann haben Menschen scheinbar oft ganz andere Vorstellungen von dieser Beziehung.

Und ja, klar gibt es bestimmte Eigenheiten unserer Beziehung, die zum Teil durch die Erkrankungen bedingt sind. Klar stimmen manche dieser Vorstellungen.
Aber manchmal kommt es mir so vor, als ob Menschen all diese anderen Vorstellungen, die sie eigentlich zu einer Beziehung haben, außen vorlassen, sobald sie das Wort Borderline hören.

Deshalb blogge ich heute einfach mal darüber, wie Karo mir in unserer Beziehung gut tut.
Denn, Schocker! : Ich tu Karo gut, aber sie tut auch mir gut! Ich bin in der Beziehung, weil ich selbst davon etwas habe! Wer hätte das gedacht!

  • Karo akzeptiert meine überemotionalen Heulanfälle. Ich weine viel und oft; so bin ich einfach. Gerade wenn noch Hormone im Spiel sind, steckt da oft nicht besonders viel dahinter. Aber egal wie ernst oder oberflächlich es ist: Karo nimmt mich immer ernst und zeigt mir, dass meine Gefühle wichtig sind. Auch, wenn es nur PMS ist.
  • Karo kennt die Dinge die mir Sorgen machen und macht sie mir leichter. Zum Beispiel habe ich vor allem früher oft große Angst gehabt, wenn Karo sich längere Zeit nicht gemeldet hat. Besonders in der Zeit, wo sie sehr starke Suizidgedanken hatte, war das sehr schlimm für mich. Auch wenn das jetzt nicht mehr so tragisch für mich ist, „warnt“ sie mich häufig vor, wenn sie mehrere Stunden nicht erreichbar sein wird. Das schätze ich total.
  • Sie ist ehrlich und sanft, wenn sie mir sagt, dass ich überreagiere. Ich habe sehr ausgeprägtes PMS und katastrophisiere in dieser Woche ziemlich stark. Karo hat angefangen, mir das nicht nur zu bestätigen wenn ich es selbst merke, sondern mir auch von sich aus zu sagen – aber auf eine Art, die respektvoll und liebevoll ist. Das hilft mir sehr dabei, mich selbst einzuschätzen.
  • Sie sagt mir, dass sie mich hübsch findet, auch wenn ich mich selbst nicht hübsch finde.
  • Sie kommuniziert offen ihre Bedürfnisse in Konflikten. Wenn wir streiten, kann es vorkommen, dass Karo die Auseinandersetzung zu viel wird und sie gar nicht mehr mit mir reden kann – oder, dass sie kurz davor steht, mich sehr unfair zu behandeln oder zu beleidigen. Anstatt eins der beiden zu machen, warnt sie mich immer rechtzeitig vor und gibt uns somit beiden die Möglichkeit, ein bisschen Abstand zu nehmen und weiter zu reden, wenn wir wieder bereit dazu sind.
  • Sie bringt mich dazu, Sachen zu sagen für die ich mich schäme und nimmt mich dann hundertprozentig an mit dem, was ich ihr mitteile. Schon mehrmals gab es Sachen, die ihr ihr eigentlich erst mal nicht sagen wollte, weil sie mir peinlich sind. Sie fordert mich dann aber genau das richtige Maß, damit ich mich doch traue – und wenn ich das tue, ist es immer einfach okay und ich musste mich überhaupt nicht schämen.
  • Ich darf bei ihr weinen, selbst wenn ich keinen Grund habe. … Zumindest, wenn ich sie damit nicht gerade triggere und sie dann in eine Traumasituation stürzt ;) Aber darüber haben wir erst gestern gesprochen, wie wir das deutlicher kommunizieren können.
  • Sie weiß, wo meine Schwächen sind und hilft mir, daran zu arbeiten. Sie kennt meinen Perfektionismus, meine Zukunftsängste, meine Sturheit. Sie weist mich darauf hin wenn es ihr auffällt, gibt Tipps und ist für mich da, ohne mir jemals das Gefühl zu geben, dass ich zu viel bin.
  • Sie nimmt alle meine Gefühle ernst.
  • Wenn ich vor etwas Angst habe, versichert sie es mir gerne immer und immer wieder.
  • Sie akzeptiert meine Interessen, auch wenn sie sie nicht versteht. Ich fangirle auch gern mal sehr stark, über YouTuber oder Bands oder sonst irgendwas – und es gibt Dinge, die mir wichtig sind, ihr aber nicht. Sie zieht mich zwar ein bisschen damit auf, aber macht sich nicht darüber lächerlich. Und wenn mir etwas wirklich sehr am Herzen liegt, nimmt sie sich die Zeit, das auch mal selbst anzuschauen.
  • Wenn es mir nicht gut geht, merkt sie es. Sie sieht mir das fast immer an wenn irgendwas nicht stimmt und spricht mich dann darauf an. Das hat mir sehr dabei geholfen, offener zu werden und zu zeigen, wie es mir geht. (Manchmal denkt sie aber ein bisschen zu oft dass irgendwas nicht stimmt – und manchmal stimmt zwar wirklich etwas nicht, aber ich kann es selbst noch gar nicht in Worte fassen. Aber sie arbeitet auch daran, mir dann erst mal Zeit zu geben.)
  • Sie hat mir dabei geholfen, meine eigenen Gefühle ernst zu nehmen. Karo lässt nie durchgehen, wenn ich darüber hinweggehe wie es mir geht und hilft mir zu lernen, dass ich ein Recht habe, über das zu reden was mich belastet. Und dass ich es nicht ignorieren darf, weil es mir dann noch schlechter geht.
  • Sie glaubt an mich.
  • Sie sagt mir, dass sie mich süß findet.
  • Sie sagt mir, dass ich ihr wichtig bin und sie mich liebt.
  • Sie berührt mich um mir Liebe zu zeigen. Für mich ist Berührung die wichtigste Sprache der Liebe und ich fühle mich sehr geborgen und sicher, wenn ich von Karo liebevoll berührt werde. Für sie sind eher Worte wichtig. Aber so wie ich mich deshalb bemühe, ihr meine Anerkennung mit Worten zu sagen, bemüht sie sich, mich von sich aus in alltäglichen Situationen liebevoll zu berühren.
  • Sie hört mir immer zu, wenn mich etwas belastet – selbst, wenn es um uns beide geht. Um genau zu sein fordert sie mich seit Jahren sogar aktiv auf, ihr zu sagen, wenn mich etwas zwischen uns beiden belastet.
  • Sie will sich um mich kümmern, wenn ich krank bin. Und auch wenn das physikalisch nicht geht durch die Fernbeziehung die wir noch führen, tut es irgendwie sehr gut.
  • Sie ruft mich an, wenn etwas passiert, was sie erzählen will. Ich kann sie anrufen, wenn ich etwas erzählen will.
  • Sie hat die schwierigen Unterhaltungen mit mir, auch wenn ihr Konflikt Angst macht. Aber sie weiß, wie wichtig es für mich und für uns ist, und spricht mit mir aus, was zwischen uns steht. Auch noch um eins in der Nacht.
  • Sie lässt mich sein wie ich bin.
  • Sie schätzt ihre Selbstständigkeit genau so, wie ich meine schätze.
… Und wahrscheinlich noch einiges mehr. Es gibt einfach unendlich vieles was mir gut tut. Aber das sind auf jeden Fall die meisten der wichtigsten Dinge.

Ich hab mich sehr bemüht, einfach über alles nachzudenken was mir gut tut, unabhängig davon ob es erwartet wird oder nicht. Manche dieser Dinge kommen mir so selbstverständlich vor und es ärgert mich fast, sie aufzuschreiben. Denn es ärgert mich, wenn diese Dinge nur wegen einer Diagnose in Frage gestellt werden.
Andere Dinge finde ich besonders und wunderschön und ich bin stolz darauf, dass sie Teil unserer Beziehung sind.

Wenn du das hier liest, und dich fragst, „aber macht Karo denn auch dies oder hat Laura auch jenes und was ist eigentlich mit …?“, dann schreib mir gern einen Kommentar und ich beantworte ihn! Für mich ist unsere Beziehung normal und für mich ist es auch normal, dass wir uns wertschätzen und gegenseitig gut tun, deshalb fallen mir vielleicht viele Dinge nicht ein, nur weil sie für mich selbstverständlich sind. Aber wenn dich interessiert wie das bei uns ist, dann: Frag einfach! :)

Ich hoffe, das konnte euch allen einen besseren Einblick in unsere Beziehung geben. Ich schreibe hier viel über die negativen Seiten, weil die halt oft von den psychischen Erkrankungen kommen, über die dieser Blog ist – aber es gibt so viele positive Seiten, die ich hier noch nicht so viel reingebracht habe. Ich hoffe, dieser Post zeigt ein bisschen was davon. :)

1 Kommentar:

  1. Hallo Laura,

    ich habe in den letzten beiden Tagen deinen gesamten Blog "durchgesuchtet" in der Hoffnung, dass deine Beziehung meiner helfen kann. Umso mehr ich gelesen habe, desto mehr habe ich gemerkt, dass meine Hoffnung nicht unbegründet war. Ich habe mich in vielen deiner Situationen und Reaktionen wiedererkannt und auch gesehen wie es vielleicht besser geht.
    Gestern ist die Beziehung gescheitert, witzigerweise an etwas, das nichts mit Borderline zu tun hat.
    Das macht mich total fertig, aber ich wollte deine und Karos Geschichte dennoch lesen und sehen wie ihr es macht. Und einerseits hat mich das sehr happy gemacht was du geschrieben hast, aber leider auch sehr traurig. Ich denke unsere Beziehung hätte so sein können wie eure. Wir waren auf dem besten Weg dahin und ich glaube es hätte etwas wunderschönes draus entstehen können.
    Ich weiß, dass ist wahrscheinlich eine sehr merkwüridge Nachricht von einer Fremden. Und dann auch noch eine so depressive. Es tut mir leid, dass ich dir so einen negativen Kommentar hinterlasse.

    Aber eigentlich wollte ich nur sagen, wie viel Mut mir dein Blog gestern noch gemacht hat. Und heute tatsächlich auch geholfen hat mit dem ersten krassen Schmerz umzugehen. Die Tatsache, dass es so hätte auch bei uns laufen können hat mich erstaunlicherweise sehr geruhigt und mir etwas Frieden gegeben. Dafür möchte ich dir danken. Ich werde auf jeden Fall weiter diesen Blog verfolgen und freue mich auf weitere Einträge.

    Ich wünsche euch beiden weiterhin eine tolle und liebevolle Beziehung. Vielleicht schreibt man sich ja mal wieder.

    Liebe Grüße von einer Fremden aus Norddeutschland :)

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