Dienstag, 27. Januar 2015

Erwartungen und Wahrheiten.

Manchmal, im Streit, sagt Karo zu mir: "Du hast von Anfang an gewusst, worauf du dich einlässt". Ich sage dann immer, dass das stimmt und das nichts damit zu tun hat, und ich sie nicht verlasse, aber mich trotzdem das und das und das nervt ;) Wir streiten eben.
Wichtig ist aber: Habe ich wirklich immer gewusst, worauf ich mich einlasse?

Ja, es stimmt: Karo war von Anfang an ehrlich zu mir. Ich habe nach und nach erfahren, was ihre Vergangenheit ist, und wie sie sich in der Gegenwart fühlt, und als wir zusammen gekommen sind, wusste ich das alles. Und habe mich gerne darauf eingelassen, und würde es wieder tun.
Aber: Mir war trotzdem nicht ganz klar, was mich erwartet. Ich war ein bisschen blauäugig. "Wer will schon mit einem Mädchen zusammen sein, das immer wieder mal zusammenbricht?" - an diesen Satz erinnere ich mich sehr gut, weil das für mich den Anstoß gegeben hat, Karo endlich meine Gefühle zu gestehen. Für mich war nämlich klar: Ich will das. Mich stört das nicht. Wenn Karo psychisch zusammenbricht, dann bin ich eben für sie da. Durch mich wird sie total glücklich werden, ich werde sie immer wunderbar trösten können und ihr Leben so viel einfacher machen.

Ja, ich beschreibe das jetzt bewusst so, dass es ganz schön arrogant und naiv klingt. Und ich schäme mich auch ein bisschen dafür, denn zumindest ein beachtlicher Teil von mir hat das tatsächlich so erwartet.
Was ist aber in der Realität passiert?

So einfach, wie es sich in meinem Kopf gestaltet hat, war es natürlich nicht. Ist es nicht. Ich bedeute Karo viel, und ich gebe ihr Halt, und kann sie trösten und halten und ihr Hoffnung geben. Aber durch mich wird nicht ihr Leben rosarot. Durch mich wird nicht alles einfacher. Ich kann ihr helfen, an schwarzen Tagen auch schöne Aspekte zu sehen, und ich kann ihr helfen, eine generelle schöne Zukunft zu erhoffen, und ich kann ihr helfen, indem ich ihr zuhören kann und sie unterstütze, wann immer das geht. Aber trotzdem fühlt sich Karo wertlos, kann mit ihren Gefühlen nicht umgehen und will sich weh tun. Und ich kann nicht immer etwas tun.
Für mich ist es nicht einfach. Ich hab nicht die dankbare Rolle, immer die Freude im Leben des anderen sein zu dürfen, und immer alles besser zu machen. Ich leide auch, wenn Karo leidet, und ich leide auch noch aus anderen Gründen - wenn ich zurückstecken muss, mehr, als ich je vermutet hätte. Ich dachte, für Karo ist es natürlich schwer, aber für mich wird es eine eher dankbare Aufgabe sein, für sie da zu sein. Es ist aber eine anstrengende Aufgabe. Nicht falsch verstehen: Immer noch tue ich diese Aufgabe gern, mit Herzblut und aus völlig freier Überzeugung und endloser Liebe. Aber es ist anstrengender, aufwühlender, belastender und viel, viel trauriger und schmerzhafter, als ich es mir jemals vorgestellt habe.

Ich habe gewusst, welche Schwierigkeiten Karo erwarten werden. Ich habe aber nicht erfassen können, wie sehr mich das beeinträchtigen würde.

Die entscheidende Frage ist wohl: Wenn ich das alles gewusst hätte, hätte ich mich dann trotzdem für diese Beziehung entschieden?
Ja, das hätte ich. Es hätte mir wahrscheinlich mehr Angst gemacht. Aber ich hätte auch gewusst, wie viel tiefer diese Liebe wird, und wie viel reifer ich als Person werden würde. Ich hätte die Wahrheit gesehen: den Schmerz, aber auch das, was ich eben doch tun kann. Ich hätte nicht nur gewusst, wie schön es ist, Karos Tränen wegzuwischen, sondern auch, wie sehr es weh tut, diese Tränen überhaupt zu sehen. Ich hätte den Schmerz gefühlt, den ich fühle, wenn ich so viel kämpfen muss, aber auch die wirklich alles heilende Umarmung von Karo, wenn ich mit diesen Tränen in den Augen in ihren Armen liege.
Ich hätte mehr gesehen: Mehr von dem guten, und mehr von dem schlechten. Einfach mehr von der Wahrheit.

Aber ist so was nicht auch normal? Am Anfang einer Beziehung sieht man sich immer mit verblendeten Augen durch die rosarote Brille, und erst im Lauf der Zeit nimmt man sich und die Beziehung wirklich wahr. Erst da entsteht wahre Liebe, an der gearbeitet werden muss, die einen stärkt und ausmacht und lernen lässt. Die einen den anderen als Menschen lieben lässt, und nicht als die Möglichkeit einer Liebe und die tollen und süßen Eigenschaften und das Verliebtsein der Schmetterlinge im Bauch. Schmetterlinge gibt es immer noch. Aber sie berühren mehr als nur das Lächeln auf dem Gesicht. Sie berühren das ganze Wesen, das man ist.

Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse. Ich habe etwas erwartet. Die Wahrheit ist in Teilen gleich, in Teilen ganz schön anders.
Aber ich würde sie wieder wählen und nicht hergeben. Es ist gut so, wie es ist.

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