Mittwoch, 7. Januar 2015

Psychologie studieren.

Meine Partnerin ist psychisch krank. Das ist mein Alltag, und mein Privatleben.
Gleichzeitig studiere ich Psychologie. Lerne über Störungen, Ursachen, Therapien, Prozesse im Körper und Gehirn. Das ist mein "Job".
Und das ist irgendwie seltsam, wenn man es genau bedenkt. Dass ich beides habe, und dass sich oft auch beides vermischt.

Wenn ich in Vorlesungen sitze, und das Thema gerade etwas ist oder etwas anschneidet, was ich von Karo kenne, dann vergleiche ich das automatisch. Karo ist quasi immer in meinem Kopf, und ist so wahnsinnig zentral in meinem Leben, da kann ich gar nicht anders. Wenn ich Borderline in einer Vorlesung höre, dann denke ich natürlich an sie. Wenn ich Dinge höre, die ich aus ihrer Lebensgeschichte kenne, tu ich das auch. Ereignisse, die etwas vorhersagen können ... Gene, die an- und ausgeschaltet sind und so etwas auslösen oder auch nicht. Gehirnareale und Neurotransmitter, die bei bestimmten psychischen Krankheiten von Bedeutung sind. Gehemmte Rezeptoren. Psychopharmaka. Einfluss der Lebensumstände. Zukunftsaussichten. Immer wieder kommt so was, was ich automatisch auf das beste Fallbeispiel anwende, das ich habe ;) Und das ist nicht abwertend gemeint, denn natürlich würde ich Karo nie als ein Fallbeispiel für mein Studium betrachten. Dass ich aber so viel aus nächster Nähe miterlebe, und es nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis kenne, ist aber vielleicht tatsächlich ein "netter" Nebeneffekt. ;)

So viel mal dazu, was ich da so höre, und wie oft das vorkommt. Aber wie ist das für mich?
Manchmal ist es nur ein blitzartiger Vergleich, den ich nicht weiter verfolge. Manchmal mache beschäftigt es mich sehr.
Selten kommt es vor, dass es mich nervt, oder mir Angst macht, im Studium so viel darüber zu hören. Wenn ich mich gerade überfordert fühle von einer Situation, dann macht es mir rein gar keinen Spaß, das alles noch mal total abstrakt und - möglicherweise - auch knallhart zu hören. Dann habe ich Angst vor dem, was ich erfahren könnte (Wie sieht die Lebenssituation von Borderlinern nach 10 Jahren aus?) und dass ich es nicht verarbeiten könnte. Dann will ich einfach nur mal abschalten, und nicht mehr wissen, nicht mehr mitbekommen. Dann will ich nicht die sein, die in der Vorlesung oder im Seminar mit den Tränen zu kämpfen hat, weil es für sie ihr Leben ist, das dort besprochen wird, während andere sich das so fachlich interessiert anhören, wie ich mir den Vortrag über Narzissmus. Dann macht es mir keinen Spaß, dass mein Privatleben mit meinem Studium so eng verknüpft ist.
Meistens aber, da stört mich das nicht. Meistens komme ich mit meiner Situation gerade gut klar, und freue mich sogar, manche Hintergründe noch besser zu verstehen. Und sogar, wenn es mir so geht wie oben beschrieben, dass ich Angst vor den Infos habe: Sogar dann tut es mir meistens gut, auf so professioneller Ebene etwas über meine Karo zu erfahren. Es hilft mir nämlich, etwas zu verstehen. Das tut es immer. Und im Studium weiß ich, dass ich mich auf die Daten verlassen kann. Und ich weiß auch, dass es hier nie absolute Werte gibt: Immer gibt es Ausnahmen. Aber je mehr ich verstehe, umso besser und schärfer wird mein Bild von Karo.
Dass ich tatsächlich so viel aus den Vorlesungen in mein Privatleben integrieren kann, ist aber eher selten der Fall. Ich kann mich nur an ein paar einzelne Situationen erinnern, wo es mich tatsächlich bewegt und beschäftigt hat, was ich zu hören bekommen habe. Meistens weiß ich halt dann so was wie, welcher Neurotransmitter in Karos Gehirn wahrscheinlich zu wenig vorhanden ist ;) Das erschüttert mein Weltbild jetzt eher so minimal.

Und manchmal verknüpfe ich etwas auch gar nicht mehr mit Karo, obwohl es eigentlich mit ihr zu tun hat. So wie heute, da haben wir Depressionen richtig ausführlich durchgenommen - und ja, klar hat Karo Depressionen. Aber ganz ehrlich? Darüber weiß ich mittlerweile zur Genüge Bescheid. Ich hab hier heute einfach keine neuen Infos bekommen, und das, was ich gehört habe, hab ich auch überhaupt nicht ständig mit Karo verglichen. Ich weiß doch, wie es meiner Prinzessin geht. Da hat mir die Vorlesung heute auch nichts neues mehr gesagt.

Was ich aber nie tue, ist, irgendwelche Therapien oder so auf Karo anzuwenden. Erstens: Durch eine Vorlesung zu einer Therapie bin ich BEI WEITEM nicht qualifiziert dafür. Zweitens: Das klappt nicht. Wenn man jemanden persönlich kennt - und da würde es schon reichen, wenn das ein Freund ist, geschweige denn der Partner - kriegt man das mit Sicherheit nicht so hin. Am Anfang unserer Beziehung, da habe ich ansatzweise ein bisschen diesen Fehler begangen. An einen Streit dazu kann ich mich nämlich erinnern, in dem Karo mir gesagt hat, dass ich aufhören soll, sie zu therapieren. Und es ist auch einfach nicht möglich. Sobald du selbst betroffen bist, kannst du nicht mehr mit dem nötigen Abstand auf die Sache schauen, die du für eine professionelle Hilfe brauchst.
Für mich ist da absolut kein dran denken. Nicht mal kurz oder automatisch überlege ich das. Und wenn ich über Therapien lerne, dann vergleiche ich das allerhöchstens mit dem, was Karo mir von ihrer Therapie erzählt. Aber anwenden tu ich das in fünf Jahren, und zwar bei meinen Patienten, und nicht bei Karo.

Es kann also Nachteile haben, und Stolperfallen, das Psychologiestudium, wenn man privat so nah an dem Thema dran ist. Teilweise kann es auch nützlich sein, und interessant.
Meistens ist es aber einfach nur mein Studium, und Karo ist meine Karo.
Und das reicht auch vollkommen aus. :)

1 Kommentar:

  1. Ahhhh, und beim Abschicken meines Kommentars zum neuesten Post hab ich an diesen hier gedacht, so ganz unterschwellig, und ihn gesucht und gefunden. :D

    Damit hat sich die Frage zum Teil auch schon erledigt, aber interessieren würde mich trotzdem, wie es dir mit Voranschreiten des Studiums geht, also ob dir das für dich persönlich auch etwas bringt. :) <3

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