Dienstag, 27. Januar 2015

Erwartungen und Wahrheiten.

Manchmal, im Streit, sagt Karo zu mir: "Du hast von Anfang an gewusst, worauf du dich einlässt". Ich sage dann immer, dass das stimmt und das nichts damit zu tun hat, und ich sie nicht verlasse, aber mich trotzdem das und das und das nervt ;) Wir streiten eben.
Wichtig ist aber: Habe ich wirklich immer gewusst, worauf ich mich einlasse?

Ja, es stimmt: Karo war von Anfang an ehrlich zu mir. Ich habe nach und nach erfahren, was ihre Vergangenheit ist, und wie sie sich in der Gegenwart fühlt, und als wir zusammen gekommen sind, wusste ich das alles. Und habe mich gerne darauf eingelassen, und würde es wieder tun.
Aber: Mir war trotzdem nicht ganz klar, was mich erwartet. Ich war ein bisschen blauäugig. "Wer will schon mit einem Mädchen zusammen sein, das immer wieder mal zusammenbricht?" - an diesen Satz erinnere ich mich sehr gut, weil das für mich den Anstoß gegeben hat, Karo endlich meine Gefühle zu gestehen. Für mich war nämlich klar: Ich will das. Mich stört das nicht. Wenn Karo psychisch zusammenbricht, dann bin ich eben für sie da. Durch mich wird sie total glücklich werden, ich werde sie immer wunderbar trösten können und ihr Leben so viel einfacher machen.

Ja, ich beschreibe das jetzt bewusst so, dass es ganz schön arrogant und naiv klingt. Und ich schäme mich auch ein bisschen dafür, denn zumindest ein beachtlicher Teil von mir hat das tatsächlich so erwartet.
Was ist aber in der Realität passiert?

So einfach, wie es sich in meinem Kopf gestaltet hat, war es natürlich nicht. Ist es nicht. Ich bedeute Karo viel, und ich gebe ihr Halt, und kann sie trösten und halten und ihr Hoffnung geben. Aber durch mich wird nicht ihr Leben rosarot. Durch mich wird nicht alles einfacher. Ich kann ihr helfen, an schwarzen Tagen auch schöne Aspekte zu sehen, und ich kann ihr helfen, eine generelle schöne Zukunft zu erhoffen, und ich kann ihr helfen, indem ich ihr zuhören kann und sie unterstütze, wann immer das geht. Aber trotzdem fühlt sich Karo wertlos, kann mit ihren Gefühlen nicht umgehen und will sich weh tun. Und ich kann nicht immer etwas tun.
Für mich ist es nicht einfach. Ich hab nicht die dankbare Rolle, immer die Freude im Leben des anderen sein zu dürfen, und immer alles besser zu machen. Ich leide auch, wenn Karo leidet, und ich leide auch noch aus anderen Gründen - wenn ich zurückstecken muss, mehr, als ich je vermutet hätte. Ich dachte, für Karo ist es natürlich schwer, aber für mich wird es eine eher dankbare Aufgabe sein, für sie da zu sein. Es ist aber eine anstrengende Aufgabe. Nicht falsch verstehen: Immer noch tue ich diese Aufgabe gern, mit Herzblut und aus völlig freier Überzeugung und endloser Liebe. Aber es ist anstrengender, aufwühlender, belastender und viel, viel trauriger und schmerzhafter, als ich es mir jemals vorgestellt habe.

Ich habe gewusst, welche Schwierigkeiten Karo erwarten werden. Ich habe aber nicht erfassen können, wie sehr mich das beeinträchtigen würde.

Die entscheidende Frage ist wohl: Wenn ich das alles gewusst hätte, hätte ich mich dann trotzdem für diese Beziehung entschieden?
Ja, das hätte ich. Es hätte mir wahrscheinlich mehr Angst gemacht. Aber ich hätte auch gewusst, wie viel tiefer diese Liebe wird, und wie viel reifer ich als Person werden würde. Ich hätte die Wahrheit gesehen: den Schmerz, aber auch das, was ich eben doch tun kann. Ich hätte nicht nur gewusst, wie schön es ist, Karos Tränen wegzuwischen, sondern auch, wie sehr es weh tut, diese Tränen überhaupt zu sehen. Ich hätte den Schmerz gefühlt, den ich fühle, wenn ich so viel kämpfen muss, aber auch die wirklich alles heilende Umarmung von Karo, wenn ich mit diesen Tränen in den Augen in ihren Armen liege.
Ich hätte mehr gesehen: Mehr von dem guten, und mehr von dem schlechten. Einfach mehr von der Wahrheit.

Aber ist so was nicht auch normal? Am Anfang einer Beziehung sieht man sich immer mit verblendeten Augen durch die rosarote Brille, und erst im Lauf der Zeit nimmt man sich und die Beziehung wirklich wahr. Erst da entsteht wahre Liebe, an der gearbeitet werden muss, die einen stärkt und ausmacht und lernen lässt. Die einen den anderen als Menschen lieben lässt, und nicht als die Möglichkeit einer Liebe und die tollen und süßen Eigenschaften und das Verliebtsein der Schmetterlinge im Bauch. Schmetterlinge gibt es immer noch. Aber sie berühren mehr als nur das Lächeln auf dem Gesicht. Sie berühren das ganze Wesen, das man ist.

Ich habe gewusst, worauf ich mich einlasse. Ich habe etwas erwartet. Die Wahrheit ist in Teilen gleich, in Teilen ganz schön anders.
Aber ich würde sie wieder wählen und nicht hergeben. Es ist gut so, wie es ist.

Mittwoch, 21. Januar 2015

Mich immer wieder heilen lassen.

Im Moment ist eine sehr ... turbulente Zeit. Karo geht es schlecht, mit meinen Gefühlen geht es drunter und drüber. Manchmal ist alles gut, und ich kann ihr lange E-Mails schreiben, die genau dafür da sind, ihr gut zu tun. Manchmal ist alles gut, und ich kann glücklich sein mit dem, was ich habe. Manchmal ist alles schlecht, und es macht mich unglaublich traurig, Karos Schmerz zu sehen. Manchmal ist alles schlecht, und ich frage mich, warum alles so furchtbar anstrengend und kompliziert sein muss.

Im Moment versuche ich deshalb, ein bisschen Abstand zu dem Schmerz zu gewinnen, wenn es geht, und mich selbst heilen zu lassen. Normalerweise denke ich viel über alles nach. Ich tu das zwar jetzt auch, aber es tut mir nicht gut. Deshalb gönne ich mir viele Pausen davon. Ich denke nur an die schönen Dinge; blende in den Zeiten, in denen es nicht wirklich wichtig ist, die schlimmen Dinge aus, und kann dann so in den Momenten, in denen es nötig ist, wieder voll und ganz für Karo da sein. Ich versuche, mir die Kraft zu geben, die ich brauche, indem ich mich selbst nur mit Samthandschuhen anfasse, lustige Videos schaue, und Herzen an Karo schicke. Schwierigen, nicht notwendigen Themen weiche ich aus. Und so kann ich mir zusehen, wie ich langsam wieder robuster werde, und schwierigere Themen wieder leichter aushalte.
Ich glaube, wenn so etwas nötig ist, ist das wohl ein Zeichen, dass ich mich in der Zeit davor überfordert habe. Ich bin froh, dass ich mittlerweile gelernt habe, auch mal abzuschalten und mir Zeit zu geben, gesund zu werden. Das ist auch etwas, was ich von Karo gelernt habe: Man muss sich nicht immer mit den Problemen des Lebens beschäftigen. Es ist völlig in Ordnung, sich davon Auszeiten zu gönnen und sich abzulenken.

Besonders freue ich mich darauf, dass Karo am Wochenende wieder zu mir kommt. Das wird mir spätestens die Gelegenheit geben, mich wieder vollends zu erholen, da bin ich mir sicher! Wenn ich am Bahnhof in ihren Armen liege, brauche ich mir weder um ihre, noch um meine Stimmung Sorgen machen - dann wird es für zwei Tage wieder problemfrei und gut sein. So gut, dass wir vielleicht sogar über schwierige Themen reden können, wenn wir möchten, glaube ich. :) Vor allem aber wird es einfach heilsam.

Samstag, 17. Januar 2015

Die Schnitte in deiner Haut.

Ein Thema, dass bei Borderlinern oft sehr ausgeprägt vorhanden ist - bei Karo zum Glück weniger stark, als man das als Bild im Kopf hat -, ist Selbstverletzendes Verhalten.
Menschen, die sich nicht ritzen, und auch noch nie persönlich mit dem Thema zu tun hatten, stehen oft ziemlich ratlos vor der Tatsache, dass sich jemand freiwillig seine Haut zerschneidet. Wir tun uns schwer, zu verstehen, warum das jemand tut, und es macht uns - so glaube ich - auch ziemliche Angst.
Ich habe, auch wenn Karo sich in der Zeit unserer Beziehung relativ selten geritzt hat, viel darüber gelernt, habe eine Einstellung entwickelt (und verändert) und ein Stück weit gelernt, damit umzugehen.

Am Anfang meiner "Reise" durch die Welt des SVV war ich mit Karo noch gar nicht zusammen, als wir schon darüber geschrieben haben, dass sie sich früher geritzt hat. Für mich war das ein ungutes Gefühl, aber mit dem Bewusstsein, dass das vorbei ist, und es auch nicht stark war, war das für mich nur ein weiteres Kapitel in der Geschichte ihrer Vergangenheit.

Eines Tages aber hat Karo sich doch wieder geritzt. Sie hat es mir erzählt - was mir immer sehr wichtig war und immer noch ist -, und für mich war das ein riesiger Schock. Zwar hatten wir, wenn ich mich richtig erinnere, vorher schon manchmal darüber geschrieben, dass sie den Drang dazu verspürt, aber dann der Gedanke, dass sie es nun getan hat - es ist schwierig zu beschreiben, was mir in diesem Moment im Kopf rum ging. Ich war zum einen dankbar, dass sie es mir nicht verheimlicht hat. Dann war ich geschockt und überfordert; wusste nicht, wie ich reagieren sollte. Und dann war da dieses schwer einzuordnende Gefühl ... eine Angst, ein Unbehagen, eine Unvorstellbarkeit und ein Schmerz. Die Vorstellung, dass Karo, meine geliebte Karo, sich ihre Haut zerschnitten hatte, dass sie nicht eine Wunde heilen ließ - sondern sich eine zufügte! -, das war und ist schwer auszuhalten. Natürlich ist da das Bewusstsein, dass es einen Druck gibt, der sich aufbaut, und dass die Selbstverletzung einerseits Ausdruck eines Selbsthasses, und andererseits auch vor allem eine Erleichterung eines riesigen inneren Druckes bedeutet. Aber ich kann nach wie vor nicht richtig begreifen, was da vor sich geht, und nach wie vor treibt es mir einen Kloß in den Hals, wenn ich zu genau darüber nachdenke.

Nach diesem Erlebnis, als ich etwas distanzierter darauf blicken konnte, wusste ich vor allem nicht mehr, wie ich weiter vorgehen soll. Einerseits wollte ich Karo nicht bevormunden, die Selbstverletzung nicht verurteilen, ihr die Verantwortung für ihren Körper geben - und andererseits sprang bei mir eine Art Automatismus an, und ich wollte einfach verhindern, dass sie es wieder tat. Ich dachte, ich müsste jetzt tatsächlich nicht das tun, was sich richtig anfühlt (haha, das musste ich sowieso erst einmal heraus finden, was das denn sein sollte...), sondern das, was "pädagogisch" richtig war. Wenn ich das im Nachhinein jetzt aufschreibe, wird mir beinahe schlecht dabei. In einer Beziehung ist das so was von unangebracht, dem anderen zu sagen, was er machen soll - auch wenn man es noch so gern möchte. Ich kann Karo sagen, dass ich nicht glücklich damit bin, wenn sie sich verletzt. Aber ich habe nicht im Ansatz das Recht dazu, ihr Verhalten zu beeinflussen, sie zu "erziehen", oder ähnliches.
Eine Zeit lang habe ich diesbezüglich mit mir gekämpft, und auch mit einer befreundeten angehenden Therapeutin darüber gesprochen. Am Ende stand zum Glück die einzig sinnvolle Entscheidung, die man eigentlich gar nicht als solche bezeichnen kann: Karo trifft ihre eigenen Entscheidungen. Ich kann und darf nicht die Verantwortung dafür übernehmen, was sie tut.
(Das ist auch jetzt noch meine Sichtweise, allerdings mit einer Ergänzung: Karo ist, genauso wie ich, dagegen, dass sie sich verletzt. Sie tut es, wenn sie keine andere Alternative mehr sieht, ihre Gefühle in den Griff zu bekommen. Aber sie will genauso wie ich, dass sie sich nicht ritzen muss. Dieses Bewusstsein hatte ich nicht immer, aber es macht es mir möglich, dieses Verhalten nicht nur zu akzeptieren, sondern ihr zu vertrauen.)

Die restliche Zeit kam es hin und wieder, sehr selten, vor, dass Karo zur Klinge griff (die Vorfälle in eineinhalb Jahren kann man, glaube ich, an einer Hand abzählen). Erst in letzter Zeit ist der Druck auf Karo so groß, dass sie sich öfter selbst verletzt - beinahe regelmäßig. Trotzdem gilt weiterhin, dass ich ihr vertraue. Sie hat sich sogar so sehr dafür geschämt, dass sie sich zurzeit so oft ritzt, dass sie es mir einige Zeit nicht sagen konnte. Und das, obwohl ich zwar meistens geschockt war, sie aber nie verurteilt habe. Wenn Karo sich vor sich selbst so sehr dafür schämt, dann kann ich ihr auch nicht böse sein, dass sie mir trotz unserer Abmachung nicht gleich erzählt hat, was passiert. Im Gegenteil bin ich sogar beeindruckt, dass sie sich nach relativ langer Zeit immer noch getraut hat, mir zu sagen, dass sie mir etwas verheimlicht hatte - wofür sie sich auch noch schämt. Und ich weiß: Karo möchte das nicht. Sie bemüht sich nach Kräften, sich nicht ritzen zu müssen. Und mit allem, was zurzeit passiert, würde ich Karo als allerletzte dafür verurteilen, dass sie es nicht immer schafft. Sie schafft es vielleicht sogar noch öfter als sonst: Aber das Bedürfnis ist halt durch so enorme Belastung viel öfter da, deshalb unterdrückt sie es total oft, und relativ gesehen sind es immer noch nur wenige Male, wo sie es nicht schafft.
Normalerweise denke ich auf diese Art, mit einigem Abstand, an das SVV. Abstand, das bedeutet, ich stelle es mir nicht bildlich vor. Einerseits möchte ich das zwar tatsächlich machen, und habe so ein Gefühl, als würde es mir helfen zu verstehen, wenn ich es nur genau genug wissen würde. Andererseits weiß ich aber nicht, ob das tatsächlich stimmt - und ob ich überhaupt in der Lage bin, es richtig zu begreifen, oder ob ich nur mit dem Verstand nachvollziehen, akzeptieren und vertrauen kann. Das Bild, wie sich Karo schneidet, wie Schnitte ihre Haut durchziehen - das kann ich immer noch nicht wirklich akzeptieren. Es ist so abstrakt, so schwer vorzustellen, und so schmerzhaft. Ich könnte jeden köpfen, der ihr auch nur im Ansatz weh tut - aber stattdessen tut sie es selber, und sie kann ich nur lieben.
Und wenn ich über ihre zarte, glatte Haut streiche, und weiß, wie sich an der selben Stelle die dünnen, gerade verheilenden Schnitte anfühlen, spüre ich wieder diesen Kloß im Hals, möchte weinen, und Karo ganz fest an mich drücken, um all ihren Schmerz mit Liebe zu ersetzen.
Ich möchte nicht, dass sie sich schneidet. Aber ich möchte es deshalb nicht, weil ich nicht will, dass sie so traurig ist. Und deshalb ist ihr Schneiden nichts schlimmes. Aber ihr Schmerz, der ist für mich so schlimm, dass ich diesen Post weinend fertig schreibe und sie einfach nur drücken, drücken, immer weiter drücken will, bis ihr nichts und niemand mehr das Gefühl geben kann, sie sei nichts wert - am wenigstens sie selbst.

Und eine Vorstellung dafür, was für eine Arbeit es sein kann, sich nicht selbst zu verletzen, das gibt Karo in ihrem wirklich tollen Blogpost über Skills.
Ich bin wirklich stolz auf sie, wie sehr sie an sich arbeitet, und finde nicht, dass sie sich verurteilen muss, wenn sie es manchmal nicht schafft. So einen Kampf würden nicht viele täglich schaffen.

Montag, 12. Januar 2015

Zwei gegen das Unglück.

Ich möchte in meinem Blog ein neues Label einführen - "Tagebuch" sind alle Artikel, die sich nicht speziell mit einem Thema besprechen, sondern wo ich einfach nur erzähle, wie es mir und Karo gerade so geht. :)

Im Moment gerade geht es mir ziemlich gut mit unserer Beziehung. :) Probleme sind nach wie vor genug da, und Karo geht es zurzeit leider ziemlich schlecht, und sie fühlt sich ziemlich hoffnungslos. Das macht auch mich traurig, und belastet mich ein Stück weit.
Was aber im Moment trotzdem sehr schön ist, ist die Art, wie wir miteinander umgehen. Während mich in den Wochen, in denen wir uns so gestritten haben, sehr schnell alles genervt hat, und ich auch kaum etwas aushalten konnte, ist das jetzt wieder ganz anders. Es fällt mir viel leichter, Verständnis für Karo und ihr Verhalten aufzubringen. Es fällt mir wieder viel leichter, sie nicht zu drängen, für sie da zu sein, das richtige zu sagen; aber auch, so lockere und offene Gespräche zu führen, wie es oft nur ging, wenn es uns gut ging.
Ich merke, wie wir beide immer besser auch damit umgehen können, wenn es einem von uns - insbesondere natürlich Karo - nicht gut geht, ohne dass sich das auf unseren Umgang miteinander negativ auswirkt.
Und das ist ein wunderschönes Gefühl. Das fühlt sich an, wie "wir gegen alle", auch wenn gar nicht alle gegen uns sind. Aber wir stehen Seite an Seite in dem Sturm, Hand in Hand, und lassen uns von negativen Gefühlen und Erlebnissen nicht auseinander reißen. Wir machen alles zusammen, und das ist wundervoll.

Gerade habe ich mit Karo Zeit verbracht. Und einerseits haben wir sehr viel Spaß gehabt und über schöne Dinge geschrieben, aber wir haben uns auch darüber unterhalten, wie es Karo zurzeit geht. Es hat mich sehr gefreut, dass Karo mit mir darüber geredet hat. Es hat sich sehr schön angefühlt, mal wieder ein richtiges Gespräch über Gefühle zu führen. Das, worüber wir geredet haben, war zwar nicht wirklich schön - aber ich hatte wieder dieses Bild vor Augen, dass wir zwar in der Sch*** stecken, aber immerhin zusammen. Und ich habe gespürt, dass ich im Moment total die Kraft dafür habe, Karo zu unterstützen und für sie ein Anker zu sein. Etwas, das da bleibt und sicher ist, wenn vieles andere verwirrend ist. Etwas, was sie zumindest für den Moment glücklich machen kann.
Mit dieser Kraft ist das lustig bei mir. Das wirkt wie ein Multiplikator. Wenn ich kraftvoll bin, und für Karo etwas gutes tun kann, dann sehe ich das Ergebnis bei ihr - und das stärkt meine Kraft weiter, um weiterhin stark zu bleiben. Wenn ich einmal in diesem Kraft-Modus drin bin, holt mich da so schnell nichts mehr raus. Das Gefühl, für Karo das richtige zu tun, und dann auch noch mitzubekommen, dass ich ihr gut tue, das ist unbeschreiblich erhebend. Das gibt mir eine riesige Sicherheit in allem, was ich tue.

Das ist der Grund, warum ich jetzt glücklich mit unserer Beziehung sein kann, auch wenn es Karo nicht gut geht. Weil Karo mir mit ihrer Dankbarkeit und ihrem Humor, ihrer Offenheit und ihrer Ehrlichkeit all das zurück gibt, was ich für sie tue.
Wir kämpfen, aber nicht gegen-, sondern miteinander und füreinander. Wir sind zwei, die zusammen gegen das Unglück kämpfen.
Und dort vorne ist ja schließlich immer noch das Licht. :)

Mittwoch, 7. Januar 2015

Psychologie studieren.

Meine Partnerin ist psychisch krank. Das ist mein Alltag, und mein Privatleben.
Gleichzeitig studiere ich Psychologie. Lerne über Störungen, Ursachen, Therapien, Prozesse im Körper und Gehirn. Das ist mein "Job".
Und das ist irgendwie seltsam, wenn man es genau bedenkt. Dass ich beides habe, und dass sich oft auch beides vermischt.

Wenn ich in Vorlesungen sitze, und das Thema gerade etwas ist oder etwas anschneidet, was ich von Karo kenne, dann vergleiche ich das automatisch. Karo ist quasi immer in meinem Kopf, und ist so wahnsinnig zentral in meinem Leben, da kann ich gar nicht anders. Wenn ich Borderline in einer Vorlesung höre, dann denke ich natürlich an sie. Wenn ich Dinge höre, die ich aus ihrer Lebensgeschichte kenne, tu ich das auch. Ereignisse, die etwas vorhersagen können ... Gene, die an- und ausgeschaltet sind und so etwas auslösen oder auch nicht. Gehirnareale und Neurotransmitter, die bei bestimmten psychischen Krankheiten von Bedeutung sind. Gehemmte Rezeptoren. Psychopharmaka. Einfluss der Lebensumstände. Zukunftsaussichten. Immer wieder kommt so was, was ich automatisch auf das beste Fallbeispiel anwende, das ich habe ;) Und das ist nicht abwertend gemeint, denn natürlich würde ich Karo nie als ein Fallbeispiel für mein Studium betrachten. Dass ich aber so viel aus nächster Nähe miterlebe, und es nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis kenne, ist aber vielleicht tatsächlich ein "netter" Nebeneffekt. ;)

So viel mal dazu, was ich da so höre, und wie oft das vorkommt. Aber wie ist das für mich?
Manchmal ist es nur ein blitzartiger Vergleich, den ich nicht weiter verfolge. Manchmal mache beschäftigt es mich sehr.
Selten kommt es vor, dass es mich nervt, oder mir Angst macht, im Studium so viel darüber zu hören. Wenn ich mich gerade überfordert fühle von einer Situation, dann macht es mir rein gar keinen Spaß, das alles noch mal total abstrakt und - möglicherweise - auch knallhart zu hören. Dann habe ich Angst vor dem, was ich erfahren könnte (Wie sieht die Lebenssituation von Borderlinern nach 10 Jahren aus?) und dass ich es nicht verarbeiten könnte. Dann will ich einfach nur mal abschalten, und nicht mehr wissen, nicht mehr mitbekommen. Dann will ich nicht die sein, die in der Vorlesung oder im Seminar mit den Tränen zu kämpfen hat, weil es für sie ihr Leben ist, das dort besprochen wird, während andere sich das so fachlich interessiert anhören, wie ich mir den Vortrag über Narzissmus. Dann macht es mir keinen Spaß, dass mein Privatleben mit meinem Studium so eng verknüpft ist.
Meistens aber, da stört mich das nicht. Meistens komme ich mit meiner Situation gerade gut klar, und freue mich sogar, manche Hintergründe noch besser zu verstehen. Und sogar, wenn es mir so geht wie oben beschrieben, dass ich Angst vor den Infos habe: Sogar dann tut es mir meistens gut, auf so professioneller Ebene etwas über meine Karo zu erfahren. Es hilft mir nämlich, etwas zu verstehen. Das tut es immer. Und im Studium weiß ich, dass ich mich auf die Daten verlassen kann. Und ich weiß auch, dass es hier nie absolute Werte gibt: Immer gibt es Ausnahmen. Aber je mehr ich verstehe, umso besser und schärfer wird mein Bild von Karo.
Dass ich tatsächlich so viel aus den Vorlesungen in mein Privatleben integrieren kann, ist aber eher selten der Fall. Ich kann mich nur an ein paar einzelne Situationen erinnern, wo es mich tatsächlich bewegt und beschäftigt hat, was ich zu hören bekommen habe. Meistens weiß ich halt dann so was wie, welcher Neurotransmitter in Karos Gehirn wahrscheinlich zu wenig vorhanden ist ;) Das erschüttert mein Weltbild jetzt eher so minimal.

Und manchmal verknüpfe ich etwas auch gar nicht mehr mit Karo, obwohl es eigentlich mit ihr zu tun hat. So wie heute, da haben wir Depressionen richtig ausführlich durchgenommen - und ja, klar hat Karo Depressionen. Aber ganz ehrlich? Darüber weiß ich mittlerweile zur Genüge Bescheid. Ich hab hier heute einfach keine neuen Infos bekommen, und das, was ich gehört habe, hab ich auch überhaupt nicht ständig mit Karo verglichen. Ich weiß doch, wie es meiner Prinzessin geht. Da hat mir die Vorlesung heute auch nichts neues mehr gesagt.

Was ich aber nie tue, ist, irgendwelche Therapien oder so auf Karo anzuwenden. Erstens: Durch eine Vorlesung zu einer Therapie bin ich BEI WEITEM nicht qualifiziert dafür. Zweitens: Das klappt nicht. Wenn man jemanden persönlich kennt - und da würde es schon reichen, wenn das ein Freund ist, geschweige denn der Partner - kriegt man das mit Sicherheit nicht so hin. Am Anfang unserer Beziehung, da habe ich ansatzweise ein bisschen diesen Fehler begangen. An einen Streit dazu kann ich mich nämlich erinnern, in dem Karo mir gesagt hat, dass ich aufhören soll, sie zu therapieren. Und es ist auch einfach nicht möglich. Sobald du selbst betroffen bist, kannst du nicht mehr mit dem nötigen Abstand auf die Sache schauen, die du für eine professionelle Hilfe brauchst.
Für mich ist da absolut kein dran denken. Nicht mal kurz oder automatisch überlege ich das. Und wenn ich über Therapien lerne, dann vergleiche ich das allerhöchstens mit dem, was Karo mir von ihrer Therapie erzählt. Aber anwenden tu ich das in fünf Jahren, und zwar bei meinen Patienten, und nicht bei Karo.

Es kann also Nachteile haben, und Stolperfallen, das Psychologiestudium, wenn man privat so nah an dem Thema dran ist. Teilweise kann es auch nützlich sein, und interessant.
Meistens ist es aber einfach nur mein Studium, und Karo ist meine Karo.
Und das reicht auch vollkommen aus. :)

Freitag, 2. Januar 2015

Momentaufnahme. Zukunftsgedanken.

Ich sitze in Karos Bett. Ihre Decke ist um mich gewickelt und duftet nach ihr. Karos Katze schläft neben mir und hat sich vorher schon von mir kraulen lassen.
Vor ein paar Stunden bin ich, vom Wecker aus dem Schlaf gerissen, schlaftrunken in Karos Bett geklettert und habe mich an sie gekuschelt.
Noch mal ein paar Stunden, dann ist Karo wieder aus der Tagesklinik zuhause. Dann nehme ich sie in den Arm und küsse sie und sie erzählt mir von ihrem Tag, und ich ihr von meinem.
Noch eineinhalb Jahre, dann wird unser Leben immer so sein. Wir werden in einer gemeinsamen Wohnung leben, am Tag unsere eigenen Dinge erledigen, und abends zusammen sein. Ich werde morgens nicht in Karos Bett kriechen, sondern sie neben mir aufwachen sehen. Abends kochen wir zusammen und morgens macht eine der andere Tee. Wir werden irgendwann den ersten "real life"-Streit erleben, der anders sein wird, weil wir nicht nur schreiben werden. Wir werden erst einen Umgang damit finden müssen, wenn wir jeden Tag zusammen verbringen. Es wird aber auch so vieles einfacher werden. Ich werde mehr mitbekommen von Karos Leben - sie wird weniger extra erzählen müssen, weil ich es sowieso erlebe. Wir werden, hoffe ich, feinfühliger miteinander umgehen können, weil wir viel besser erkennen, wie es der anderen geht und was gerade los ist.
Wir werden uns nicht mehr vermissen müssen.


An so was denke ich, während ich hier sitze und für die Uni arbeite.
Und ich denke auch daran, wie schön es ist, dass sich das alles hier so normal anfühlt, und ich mich - wie eigentlich erwartet, aber trotzdem ein bisschen erhofft - genauso wohl fühle mit meinem Schatz, wie es immer war.

Und jetzt mache ich weiter, und freue mich darauf, Karo heute abend/nachmittag wieder zu sehen. :)