Dienstag, 25. Juli 2017

Selbstfürsorge als Angehörige

Manchmal, als Angehörige, da fühl ich mich recht alleine. Ich finde es schwierig, Menschen zu finden, mit denen ich gut über alle meine Gefühle reden kann. Karo als meine Partnerin versteht die Themen vielleicht, aber so gut passt das auch nicht immer. Andere Menschen, wie Freunde und Familie, sind zwar ebenso sofort bereit mich komplett zu unterstützen und mir zuzuhören, aber vielleicht manchmal geschockt von dem was ich erzähle, oder lösen in mir das Gefühl aus, dass ich Karo verteidigen und die Probleme herunterspielen muss. Das ist alles nicht besonders ideal.

Vor einer Weile war ich bei zwei Abenden für Angehörige von psychisch und chronisch Kranken, angeboten von einer Uni-Gemeinschaft. Das war in vielerlei Hinsicht sehr wunderbar.

Am ersten Abend haben wir uns gegenseitig ein bisschen vorgestellt, und dann viel über unsere Rollen gesprochen. Ich bin Partnerin, aber was bin ich noch? Manchmal bin ich praktische Unterstützung, manchmal bin ich eine Schulter zum Ausweinen. Wie fühlen wir uns in diesen Rollen?
Wir kamen alle aus sehr unterschiedlichen Situationen, und trotzdem konnten wir sehr viele dieser Rollen und die verbundenen Gefühle gut nachvollziehen.
Wir haben auch für uns selbst eine Timeline der Erkrankung des Angehörigen und parallel unseres restlichen Lebens aufgestellt. Das fand ich total spannend, weil es mir gezeigt hat, wie viel in sehr kurzer Zeit passiert ist, und wie verständlich es ist, dass vieles davon sehr schwere Zeiten für mich waren.

Eine Woche später ging es vor allem um Selbstfürsorge. Ob man sich verantwortlich fühlt, und wenn ja, wie viel davon angebracht ist. Was man sich selbst eingestehen kann.
Bei vielem davon hatte ich das Gefühl, dass ich da schon sehr weit gekommen bin, was ein schönes Gefühl war. Ich habe in den letzten Jahren viel dazu gelernt, mich selbst als erste Priorität zu sehen und darauf zu achten, dass ich mich um mich selbst kümmere. Da bin ich echt stolz drauf.

Von beiden Abenden habe ich vor allem das Gefühl mitgenommen, wie es ist, einfach verstanden zu werden. Ich konnte Dinge sagen, die andere geschockt hätten, ohne sie groß erklären zu müssen - weil alle anderen auch Geschichten haben, die andere schocken würden. Trotz unserer so unterschiedlichen Erlebnisse haben wir immer wieder einfach nur zustimmend genickt und so viel austauschen können.
Oft gibt es auch sehr zwiespältige Gefühle, finde ich, als Angehörige. Zum Beispiel hat eine Tochter eines krebskranken Vaters erzählt, dass sie sich manchmal einfach ein Ende wünscht, weil es so schwer ist dieses ständige Leid mitzuerleben - aber natürlich will sie nicht, dass er stirbt. Sie will nur, dass es leichter wird. Das hab ich in anderen Bereichen total gut verstanden, und auch viele andere, so wie es ausgesehen hat. Diese komplexen Situationen sind oft so schwer zu beschreiben, und manchmal fühlt man sich schuldig für Gefühle die man hat oder will nicht davon erzählen, weil man nicht missverstanden werden möchte. In diesem Rahmen ist das aber so einfach möglich, weil alle wissen wie komplex unsere Situationen sind, und was so ein Wunsch bedeutet und was eben auch nicht.

Ich habe mich in der Gruppe einfach sehr geborgen und verstanden gefühlt, und das hat unglaublich gut getan. Als Angehöriger ist man oft an der Seite und will die eigenen Probleme nicht in den Vordergrund stellen, gleichzeitig steckt man aber auch in vielen wirklich schwierigen Situationen. Ich bin sehr dankbar für solche Austauschmöglichkeiten und kann jedem raten, solche Gelegenheiten zu ergreifen! Es kann echt Wunder wirken, wenn jemand einfach weiß, ohne dass man viel erklären muss.

(Ein bisschen habe ich ja immer gehofft, das mit diesem Blog zu schaffen. Zu zeigen: Du bist nicht allein, mir geht es auch so. Und vielleicht eben selbst zu sehen, dass andere genau verstehen wie es mir geht. Falls du jemand bist der aus diesem Grund mitliest würde ich mich total über einen Kommentar freuen!)